Bullshit Jobs by Graeber David

Bullshit Jobs by Graeber David

Autor:Graeber, David
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Arbeit, Arbeitsplatz, Arbeiten, sinnvolles Arbeiten, modernes Arbeiten, Fortschritt, Digitalisierung, technischer Fortschriftt, Jobs, Ökonomie, Arbeitswelt, Systemkritik, Gesellschaft, Gesellschaftskritik, Gesellschaftsentwicklung, Leben
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2018-11-15T00:00:00+00:00


Oberflächlich betrachtet entstehen Bullshit-Jobs im FIRE-Sektor durch die gleichen unmittelbaren Mechanismen wie überall sonst. Einige davon habe ich in Kapitel 2 im Zusammenhang mit den fünf Grundtypen von Bullshit-Jobs und ihrer Entstehung aufgeführt. Lakaienstellen werden geschaffen, weil die Inhaber von Machtpositionen in einem Unternehmen ihre Untergebenen für ein Statussymbol halten; Schläger werden aufgrund einer Dynamik des Ausstechens eingestellt (wenn unsere Konkurrenz eine Top-Anwaltskanzlei beschäftigt, müssen wir das auch tun); Positionen von Flickschustern werden geschaffen, weil die Behebung eines Problems den Unternehmen manchmal schwerer fällt als der Umgang mit seinen Folgen; und die Stellen von Kästchenankreuzern existieren, weil der Papierkrieg in Großunternehmen, der belegt, dass bestimmte Maßnahmen ergriffen wurden, häufig für wichtiger gehalten wird als die Maßnahmen selbst; Aufgabenverteiler existieren vorwiegend als Nebeneffekt verschiedener Formen der unpersönlichen Autorität. Wenn man Organisationen als komplexes Wechselspiel von Anziehungskräften begreift, die in viele verschiedene Richtungen ziehen, kann man feststellen, dass es immer in jeder dieser fünf Richtungen einen gewissen Zug geben wird. Dennoch muss man fragen: Warum existiert kein größerer Druck in der Gegenrichtung? Warum wird das Ganze nicht stärker als Problem begriffen? Unternehmen stellen sich doch selbst gern als schlank und sparsam dar.

Nach meinem Eindruck eignen sich diejenigen, die im FIRE-Sektor riesige Geldbeträge schaffen, damit spielen und sie wieder vernichten, hervorragend als Ausgangspunkt für solche Fragen. Das liegt zum Teil daran, dass viele, die in dem Sektor arbeiten, ohnehin überzeugt sind, dass fast alles, was dort getan wird, im Wesentlichen Betrug ist.[22]

Elliot: Ich habe kurze Zeit bei einer der »großen vier« Beratungsfirmen gearbeitet. Sie waren von einer Bank beauftragt worden, Schadenersatz an Kunden zu zahlen, die vom PPI-Skandal betroffen waren. Das Beratungsunternehmen wurde nach der Anzahl der Fälle bezahlt, unsere Bezahlung erfolgte stundenweise. Deshalb wurden die Mitarbeiter absichtlich falsch geschult und schlecht organisiert, damit die Aufgaben immer wieder und einheitlich falsch ausgeführt wurden. System und Durchführung wurden ständig abgewandelt und verändert, damit sich niemand an die neue Vorgehensweise gewöhnen und korrekt arbeiten konnte. Deshalb mussten die Fälle wiederholt bearbeitet werden, und die Verträge wurden verlängert.

Falls es nicht allgemein bekannt sein sollte: Der Skandal mit Restschuldversicherungen (PPI-Skandal) brach in Großbritannien 2006 aus, als sich herausstellte, dass zahlreiche Banken ihren Kunden unerwünschte und häufig höchst nachteilige Versicherungspolicen angedreht hatten. Gerichte entschieden, dass ein großer Teil des Geldes zurückgegeben werden musste, und die Folge war eine ganz neue Branche, die sich rund um die Befriedigung solcher Zahlungsansprüche organisierte. Wie Elliot berichtet, ließen sich zumindest manche von denen, die entsprechende Ansprüche bearbeiten sollten, absichtlich Zeit, um den Vertrag so gut wie möglich auszuschlachten.

Elliot: Das leitende Management muss darüber Bescheid gewusst haben, aber ausdrücklich ausgesprochen wurde es nie. In ungezwungenen Augenblicken sagte jemand aus dem Management vielleicht so etwas wie: »Wir verdienen Geld, indem wir eine undichte Rohrleitung betreiben – bringt man also die Rohrleitung in Ordnung oder lässt man sie weiterhin undicht sein?« (oder eine ähnliche Formulierung). Die Bank hatte riesige Summen zurückgestellt, um Schadenersatz für die PPI leisten zu können.

Solche Aussagen las ich in den Zuschriften, die ich erhielt, recht häufig. Ähnliche Geschichten hörte ich aus Anwaltskanzleien, die sich mit Schadenersatzzahlungen wegen Asbest beschäftigten.



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